Fanzine-Profil: My Way
Genre:
Kultur, Gesellschaft, Zeitgeschichte
Zuerst erschienen:
ca. 1985
Zuletzt erschienen:
?
Beschreibung des Zines
Das „My Way“ führte den Untertitel „Magazin für kulturellen Eigensinn“ und liefert damit vermutlich bereits die kürzeste und zugleich treffendste Charakterisierung dieser Publikation, von der ich in meinem Archiv die Ausgaben der Jahre 2003 bis 2008 habe. Über das Vorher und Nachher des „My Way“ ist mir leider nichts Näheres bekannt – auch das Erscheinungsjahr der Erstausgabe habe ich nur aus der halbjährlichen Erscheinungsweise hergeleitet.
Unter den hier vorgestellten Fanzines dürfte „My Way“ die größten Gemeinsamkeiten mit der luxemburgischen „Queesch“ haben. Die Beschäftigung mit Kultur in den unterschiedlichsten Ausprägungen – Literatur, Musik, Industriekultur, bildende Kunst, Philosphie – steht im Vordergrund, ja, macht dieses Magazin aus. Und weil die Herzen des Herausgebers und seiner Mitstreiter erkennbar höher schlagen, wenn es um die Untiefen der Subkultur und der Nischen geht, sind wir letztlich doch wieder bei der kurzen Selbstbeschreibung als „Magazin für kulturellen Eigensinn“, mit der schon alles gesagt ist.
Die in einer zumindest für die 2000er-Jahre typischen Ausgabe versammelten Beiträge reichen von mehrseitigen Artikeln (mitsamt Quellenangaben und zahlreiche Querverweisen), die in ihrer Fundiertheit dem Feuilleton jeder großen Zeitschrift oder Zeitung zur Ehre gereichen würden, bis hin zu einer Vielzahl von Kurzrezensionen aktueller Veröffentlichungen – Bücher, Hörbücher, Fanzines, Musikalisches, Veranstaltungen, …
Es finden sich Porträts einzelner Künstler wie Anthony Braxton, Dieter Roth, Emmy Hennings, Otto Dix, Egon Schiele und Sainkho Namtchylak. Aber auch ausführliche Artikel über Ausstellungen, Festivals und sonstwie Sehenswertes – da wird Graz als Kulturhauptstadt Europas (2003) vorgestellt; da wird auf WOMEX aufmerksam gemacht, die World Music Expo; auf das Weltkulturerbe Völklinger Hütte, die Ruhrtriennale, Ausstellungen wie „Die flämische Landschaft“ und manches mehr.
Erweitert wird dieses ohnehin schon beeindruckende inhaltliche Spektrum durch Essays zu philosophischen und gesellschaftlichen Fragen und durch sich meist über mehrere Ausgaben erstreckende Aufsätze zu Themen der Zeitgeschichte. Hervorgehoben sei hier der Dreiteiler „Born in the GDR – Punk in der DDR“.
Diese Artikelreihe bringt mich auf noch ein weiteres Charakteristikum, das „My Way“ aus meiner Sicht heraushebt: die ganz selbstverständliche Beschäftigung auch mit den Musik-, Literatur- und Kunstszenen in den Ländern des früheren „Ostblocks“ – Polens also, der Tschechischen Republik, Rumäniens und so weiter. Das „My Way“ scheint mir damit schon vor langer Zeit deutlich weiter gewesen zu sein als viele große deutsche Zeitungen und Magazine, die bis zum heutigen Tage Europa noch als (Nord-)Westeuropa zu begreifen und einfach nicht von alten Klischees und Dünkeln loszukommen scheinen.
Abschließend möchte ich aus einem im „My Way“ #57 veröffentlichten Artikel über den Ein-Mann-Verlag KILLROY media zitieren:
Es macht mich wütend, wenn Leute sagen, die Subkultur sei tot. Was tot ist, sind nur die Phänotypen der verschiedenen „Szenen“, die Erscheinungsbilder, der Phänotyp des „Beat“ etwa oder der des „Social Beat“; aber der Genotyp der Subkultur, der all den Szenen zugrundeliegt, wird nie tot sein, genausowenig, wie „Kultur“ tot sein kann. Denn die echten, subkulturellen Maulwürfe sind keine Trendgorillas, und als solche sterben sie auch nicht aus.