Fragen an Joachim Hanke (06/2009)

Alle Rechte an diesem Interview liegen bei Andreas Dölling [AD] und Joachim Hanke [JH].

„Frankfurter Land – Schalldeutung für gemeine Zeit“ folgt keinen Schema.

Vorbemerkung

Joachim gibt seit 1994 das Fanzine „Frankfurter Land / Schalldeutung für gemeine Zeit“ heraus und damit nicht nur eines der dienstältesten Fanzines hierzulande, sondern auch eines der ganz wenigen Hefte, die im Din-A6-Format, also in Postkartengröße, erscheinen und ganz der Devise „klein, aber fein“ folgen.

Das Interview

AD: Was war für dich damals der Antrieb, ein eigenes Magazin zu gründen? Hattest du vorher schon Berührung mit der Zine-Szene?

JH: Nein, solche Kontakte hatte ich damals nicht. Die erste Nummer entstand eher aus einer Laune heraus, als ich in Frankreich für einige Zeit als Fremdsprachenassistent arbeitete und mir beim Briefeschreiben dachte, dass ich vielen Freunden in Deutschland ähnliche Briefe schreibe. Oft enthielten diese Briefe Gedichte, kurze Texte und Bilder – teils von mir, teils aus Büchern der dortigen Bibliothek. Da dachte ich, warum soll ich diese nicht direkt in einem kleinen Heft zusammenstellen, einerseits um das Briefeschreiben zu „rationalisieren“, andererseits weil ich die Form einer aufklappbaren Zeitschrift spannend und auch für Leser ansprechend fand.
Im Gegensatz zu heute habe ich mich in der Anfangszeit noch stark an dadaistischen Zeitschriften mit ihrem kunterbunten Kuddelmuddel und ihrem Unsinn in Text und Bild orientiert.

AD: Wie bist Du denn zu dem Namen „Frankfurter Land / Schalldeutung für gemeine Zeit“ gekommen? Ist das purer Nonsens oder steckt dahinter womöglich eine Bedeutung?

JH: Wer den Titel der Zeitschrift einmal aufmerksam betrachtet, wird die beiden unterschiedlichen Schrifttypen bemerken. Sie entstammen der „Frankfurter Allgemeine“ mit ihrem Untertitel „Zeitung für Deutschland“.
Beides hatte ich auf etwa die gleiche Größe gebracht, dann in einzelne Silben bzw. Buchstaben geschnitten und sie so lange umsortiert, bis ich eine Kombination hatte, die mir geeignet schien.
Allerdings hieß meine Zeitschrift ganz zu Beginn noch „gemeine Frankfurter – Landung für Deutschzeit & All“ – und hatte passend dazu noch das Bild einer abgestürzten Rakete auf dem Titel. So ganz zufrieden war ich damit jedoch nie, so dass der heutige Titel erst nach zwei weiteren Zwischenstufen entstanden ist.
(Eigentlich verrate ich dieses „Geheimnis“ nur ungern. Aber andererseits sollen natürlich auch Leute außerhalb der Frankfurter Region die FL lesen, und ich glaube schon, dass mir viele Leute, die das Heft vielleicht recht interessant finden würden, als Leser entgehen, da sie direkt denken: „Damit habe ich nichts zu tun“, wenn sie den Titel mit dem Stadtnamen hören. Das fände ich sehr schade. Mir schien diese Silbenverdrehung allerdings immer so ein so interessantes Spiel, dass ich nie ernsthaft daran gedacht habe, meiner Zeitschrift einen ganz anderen Titel zu geben. Es ist übrigens auch sehr selten, dass Leser dieses Puzzle entschlüsseln – oder zumindest, dass ich davon erfahre. Ein kleiner Trost für Frankfurter an Main, Oder und in Nordamerika: ein Heft zum Thema Frankfurt kommt auch in nächster Zukunft einmal, vielleicht als Nummer 40.)

Austausch via Postkarte

AD: So rätselhaft wie der Titel Deines Heftes ist in gewissem Sinne auch das Heft selbst, denn es lässt sich nicht einer bestimmten Richtung, einem bestimmten Genre wie Lyrik, Punk, Rollenspiel, Politik oder Design zuordnen, sondern bietet eine Mischung aus verschiedenen Ausdrucksformen von Essays und Gedichten über Cartoons und Fotografien bis hin zu Zeitungsschnipseln – alles eher lose gemischt, aber in jedem Heft auf ein bestimmtes Thema bezogen. Beschreibe doch einmal selbst das Konzept Deines Magazins. War das von Anfang an so geplant oder hat sich das im Laufe der Zeit so entwickelt?

JH: Du hast im Grunde genommen den Ansatz schon recht gut beschrieben. Ich versuche das Thema immer von verschiedenen Seiten einzukreisen und zu ergründen, was da eigentlich dran ist. Hierbei sollen ernsthafte Beiträge neben eher lustigen oder skurrilen stehen, und Text und Bild sollen sich in etwa die Waage halten. Die Zusammenstellung der Beiträge ist dann nochmals ein eigener Schritt, denn oft ergeben sich Kombinationen, die aus meiner Sicht besonders gut zusammen passen, oder umgekehrt in der direkten Aufeinanderfolge einen spannenden Gegensatz darstellen.
Zu diesen themenorientierten Heften bin ich wie erwähnt erst nach und nach übergegangen. Heft 17 hatte als erstes einen gewissen Schwerpunkt „Rückblick auf das II. Jahrtausend“, ergänzt durch bunt gemischte Beiträge zu allen möglichen Themen.

AD: Warum hast Du Dich für das extrem kleine Format Din A6 entschieden? Wie man in vielen Ausgaben sieht, bedeutet das ja eine gewisse Einschränkung. So druckst Du immer wieder Texte quer ab, damit sie in das kleine Heft passen.

JH: Dies hatte ganz zu Beginn mit dem Versand zu tun, da die ersten Hefte ja eine Art erweiterter Briefkorrespondenz darstellten. Ich hatte allerdings schon in der zweiten Zeitschrift einen Umfragebogen für die damaligen Leser, unter anderem zum Format. Dieses wurde – ebenso wie auch der damalige Zeitschriftentitel – überwiegend als passend empfunden, und so habe ich es beibehalten.
Heute möchte ich dieses Format gar nicht mehr missen, denn erstens ist es so hübsch hosentaschenkompatibel, zweitens kenne ich selbst gar keine andere Zeitschrift in diesem Format und freue mich auch deshalb über diese Besonderheit. Für manche Texte, die mir nur in Papierform vorliegen, ist es sicher eher ein Nachteil. Die Mühe, alles nochmals abzutippen, um es am Computer auf das richtige Format zu bringen, will ich mir aber nicht immer extra machen. Man darf ruhig auch sehen, dass es sich um ein Copyshop-Heft handelt.

AD: Gibst Du das Heft allein heraus oder hast Du Helfer? In den Ausgaben steckt ja einiges an Handarbeit: abgesehen vom selbstbeklebten Titelblatt sind immer wieder kleine Überraschungen im Heft zu finden, wie etwa die eingeklebten Haare in der letzten Ausgabe, oder dazugelegte Flyer. Das ist ja schon viel Aufwand.

JH: Tatsächlich nimmt es (für mich als alleinigen Herausgeber) schon einiges an Zeit in Anspruch, bis die Kopiervorlage für ein solches Heft endgültig fertig ist. Das Kopieren selbst und auch das Aufkleben des Titels geht dann letztendlich relativ schnell, denn ich habe nicht nur ein sehr kleines Heft, sondern auch eine recht kleine Auflage.

AD: Wie entsteht denn eine neue Ausgabe von „Frankfurter Land“? Hast Du eine feste Veröffentlichungsfrequenz, an die Du Dich hältst? Wie kommst Du an die Beiträge zu den jeweiligen Oberthemen – verlässt Du Dich da auf einen festen Stamm von Gastkünstlern? Oder rufst Du in anderen Fanzines oder durch Rundschreiben zum Einsenden von Beiträgen auf? In jedes Heft stopfst Du noch Kopien von Texten und Zeitungsbilder als lose Beilagen hinein, so als hättest Du bis zum letzten Moment noch Material erhalten oder entdeckt. Entsteht also ein Heft eher spontan in einem Schaffensrausch? Wächst es über Wochen hinweg von selbst? Oder ist alles geplant? Wann ist für Dich ein Heft fertig?

JH: Lange Zeit habe ich die FL ziemlich regelmäßig etwa vierteljährlich herausgebracht. In den letzten zwei Jahren habe ich dagegen recht wenig Ausgaben gemacht, allerdings sind nun schon wieder die nächsten beiden Hefte (zu den Themen „Reisen“ sowie „Ich und Ich“) recht weit gediehen. Ursprünglich wollte ich sie sogar noch für die Minipressenmesse in Mainz fertig haben, jetzt habe ich aber stattdessen wieder mehr Zeit, die Beiträge zusammenzustellen und habe es damit auch wieder nicht ganz so eilig. Ein interessantes und abwechslungsreich gestaltetes Heft ist mir wichtiger als die Einhaltung von genauen Terminen.
Die Beiträge von anderen Schriftstellern oder Zeichnern sind ein Thema für sich. Als ich die Zeitschrift noch regelmäßiger gemacht habe, bekam ich öfter passende Beiträge zum Thema. Inzwischen ist dies aber leider doch sehr ausgedünnt. Es gibt ein paar wenige Leute wie zum Beispiel den belgischen Illustrator Boris Servais, die ich schon einmal ganz gezielt um Beiträge bitte. Ansonsten stammen Beiträge teilweise von mir, manche Zitate oder kürzere Textausschnitte übernehme ich auch aus Zeitungen – oder aus Büchern, in solchen Fällen in der Hoffnung, bei den Lesern Interesse für das Buch insgesamt zu wecken. Ich freue mich immer sehr über Beiträge zu den Themen. Das heißt jedoch, dass ich mir dennoch die Auswahl vorbehalte und auch Beiträge manchmal nicht übernehme, wenn ich wenig damit anfangen kann.
Wie nervig es immer wieder einmal ist, von gänzlich Unbekannten Stapel mit Kurzgeschichten oder Gedichten zugesandt zu bekommen, die in keiner Weise etwas mit den Themen der nächsten Hefte zu tun zu haben, muss man wohl kaum erwähnen. Aber das kennt wohl jeder Zeitschriftenherausgeber, der in irgendeinem Verzeichnis eingetragen ist.
Meist habe ich einige Themen für die nächsten Hefte im Hintergrund. Der Prozess der Entstehung besteht somit in der ersten Phase in einem längeren Sammelprozess zum Thema, der noch gar nicht sehr gezielt ist und parallel für mehrere Themen läuft: was mir unter die Augen oder zwischen die Finger gerät und gut in eines der nächsten Hefte passt, wird aufgehoben bzw. notiert. Wenn ich den Eindruck habe, dass genügend Material vorhanden ist, und natürlich auch, wenn ich gerade ausreichend Zeit habe, sichte ich dieses Material und stelle dann das Heft in recht kurzer Zeit zusammen, nachdem ich zunächst einzelne Elemente noch ins richtige Format gebracht habe.
Bei manchen Themen, für die sich leicht Material findet, ist es gar nicht so einfach, auszuwählen, was letztlich in das Heft hinein soll – zum Beispiel habe ich für das Thema „Reisen“ schon eine ganze Menge Material. Auch beim aktuellen Heft über „Haare“, zu dem meine Kollegin die Anregung gegeben hatte, habe ich in insgesamt recht kurzer Zeit eine Menge Beiträge zusammenbekommen, deren Menge und Vielfalt für mich selbst erstaunlich war. Falls umgekehrt noch Platz im Heft ist oder ich den Eindruck habe, es sollten noch bestimmte Texte, Bilder oder Collagen integriert werden, erstelle ich diese zum Teil selbst oder frage seltener einmal bei Freunden nach, ob sie so etwas entwerfen und mir für FL schicken wollen. In dieser Phase ist es dann ein kürzerer, allerdings bei dickeren Heften – so wie zuletzt jedesmal – doch recht intensiver Arbeitsprozess. Manchmal passiert es wie bei der aktuellen Nummer natürlich auch, dass ich im letzten Moment noch etwas Spannendes entdecke, das doch noch in das Heft hinein soll – so kommen die losen Beilagen zustande. Teilweise sind diese aber auch von Beginn an vorgesehen, etwa wenn sie eher Ergänzungen oder Querverweise zum Thema darstellen.

Noch mehr Handgeschriebenes per Post

AD: Ähnlich wie Dein Heft erschließt sich auch Deine Website nicht so ohne weiteres ihren Besuchern. Sie ist sogar noch deutlich kryptischer. Ein Web-Fachmann würde vermutlich von schlechter Benutzbarkeit sprechen. Hast Du nicht Angst, mögliche Leser oder Gastkünstler abzuschrecken? Oder ist es Deine Absicht, etwas von Deinen Lesern und Website-Besuchern zu fordern?

JH: Die Webseite habe ich vor Jahren erstellt und leider ist sie hoffnungslos veraltet. Von meinen (hoffentlich wenigen) Webseitenbesuchern fordere ich an dieser Stelle, mich mit ihren Wünschen oder Fragen unter meiner aktuellen email-Adresse oder Telefonnummer zu kontaktieren wie im Register des Fanzine-Index angegeben.
An Dich vielen Dank, dass Du mithilfst, für mich und viele andere Papiermagazine diese Kontaktdaten und Übersicht über die Hefte aktuell zu halten !

AD: Welchen Stellenwert hat das Internet für Dich – als Kommunikationsplattform und als Publikationsmedium?

JH: Es ist ein gutes Medium, um ab und zu Neues zu entdecken, gerade auch im Bereich Literatur oder Kunst. Allerdings informiere ich mich dann eher darüber, was es gibt, und bestelle dann Literatur, die mich wirklich interessiert, in der Papierausgabe. Ich habe wenig Spaß daran, direkt am Bildschirm zu lesen – schon bei der Arbeit habe ich ausreichend mit Computerkommunikation zu tun und bevorzuge daher in der Freizeit Papier oder den direkten Austausch. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, Frankfurter Land als Internetmagazin herauszugeben, selbst wenn vielleicht (?) der Leserkreis größer wäre. Eine Zeitschrift, die man einmal beiseite legt und dann vielleicht erst einige Tage später wieder zur Hand nimmt, ist etwas anderes als eine weitere Webseite neben tausend anderen, die in einem Klick verschwunden ist.
Ich bin auch ein großer Fan von Papierpost – vor allem jüngere Leute finden das ja oft altmodisch, aber es gibt immer noch viele Menschen, die sich sehr über das haptische Erlebnis freuen, welches ein frisch eingetroffener Brief darstellt, und die sogar selbst Briefmarken im Haus haben !

AD: Pflegst Du Kontakte zu anderen Fanzine-Herausgebern? Oder machst Du einfach unabhängig Dein Ding? Nach meiner Erfahrung ist es wunderbar, wenn man Resonanz auf seine Veröffentlichungen erhält – egal, ob negative oder positive Rezensionen in anderen Zines, Leserbriefe, ein Lob bei einer Lesung, … Gleichzeitig bekommt man solches Feedback aber sehr, sehr selten. Noch schwieriger wird es nach meiner Erfahrung, wenn man versucht, Gemeinschaftsaktionen mit anderen Zine-Machern anzustoßen. Wie ist das bei Dir? Und wie wichtig sind Dir diese Dinge?

JH: Du hast absolut recht, dass solche Rückmeldungen auf Dauer sehr wichtig sind, wenn ein solches Projekt Spaß machen soll. Es ist natürlich auch beim Zeitschriftenmachen sehr schön, wenn man Leute kennt, die einem die Freude, die sie an dem Projekt haben, offen mitteilen – fast „wie im richtigen Leben“ mit anderen Dingen, könnte man sagen.
Bei mir ist leider die allgemeine Resonanz der bisherigen Leser derzeit etwas mau – vielleicht auch durch die längeren Veröffentlichungspausen zwischen den letzten Heften, vielleicht aus anderen Gründen. Andererseits bin ich im postalischen (auch Heft-)Austausch mit einer Reihe anderer Zeitschriftenherausgeber (z.B. MY WAY, Bildstörung, Das fröhliche Wohnzimmer, …). Dies basiert einerseits auf dem Interesse an den Ideen, Vorgehensweisen und Produkten der anderen – vielleicht gerade auch im Vergleich mit den eigenen – und andererseits natürlich auch auf der Freude, umgekehrt Interessenten für die eigenen Projekte zu finden.
Wenn Du von „Gemeinschaftsaktionen mit anderen Zinemachern“ sprichst, würde ich zunächst gern wissen, an was Du dabei zum Beispiel denkst. Themenbezogene Kooperation mit einzelnen Freunden oder bestimmten Künstlern für einzelne Hefte kenne ich schon, das betrifft bei mir dann in erster Linie die Sonderbände, die neben der FL auch noch existieren. Ein Austausch in Form von Treffen – oder noch besser, das gemeinsame Auftreten auf einer Messe, wie ich es zuletzt in Mainz zusammen mit Hans Eisel („Am Zeitstrand“), Jochen König („Das dosierte Leben“) und der Ludwigsburger Künstlerin Luise Hepp erleben durfte, kann natürlich auch eine tolle Sache sein. Unter dem Wort „Aktion“ stelle ich mir nun aber etwas vor, was mit dem eigentlichen Erstellen von Zeitschriften oder deren Präsentation (zumindest in direkter Form) nicht mehr viel zu tun hat.
Zurück zu Deiner Frage also: Ich freue mich generell immer über Begegnungen mit Bekannten und noch Unbekannten und auch über gemeinsame Aktionen. Und es gibt manche Sonderbände mit Gedichten oder Zeichnungen einzelner Künstler, wo ganz gezielt bei der Auswahl und Erstellung eine engere Kooperation stattfindet. Bei FL ist aber die abschließende Gestaltung und Produktion für mich etwas, das ich selbst mache und wo ich gar niemand brauchen könnte, der mir da „hineinpfuscht“ – wobei wie schon erwähnt passende Beiträge generell sehr willkommen sind

AD: Gibt es unter den 36 Ausgaben, die bisher vom „Frankfurter Land“ erschienen sind, Ausgaben, die Du selbst besonders gern hast oder die eine besondere Geschichte haben?

JH: Manche Ausgaben haben einen engeren Zusammenhang mit meinem Leben, etwa die Ausgabe über das Heiraten, die ich erstellt habe, als in einem Jahr auf mehrere Hochzeiten von Freunden eingeladen war, oder das Heft 30 „Bulgarien“, das ich am Ende eines einjährigen Bulgarienaufenthalts erstellt habe. Andere Hefte präsentieren Themen, die ich eher generell interessant fand (etwa „Spinnen“ oder „Rückseite des Mondes“). Natürlich habe ich ein paar wenige absolute Lieblingshefte und andere, die mir durchaus gut gefallen, die ich aber nicht zu diesen dazu zählen würde – generell jedenfalls finde ich inzwischen die älteren, bunt gemischten Hefte ohne festes Thema heute nicht mehr so interessant.
Ein besonderes Experiment war jedenfalls das Heft 32 zum Stabhochsprung – ein Thema, das mir für FL einmal bei einem entsprechenden Sportwettkampf in Aachen in den Sinn kam. Da dachte ich: Im Grunde genommen ist das interessant und hübsch anzusehen, aber sagen (bzw. schreiben) kann man darüber eigentlich gar nichts. Gerade darum hat mich der Versuch gereizt, hierzu ein Heft mit der lange üblichen Standardseitenzahl von 32 voll zu bekommen – was mir dann auch gerade so gelungen ist, ohne die Latte zu reißen.

AD: Was tust Du, wenn Du gerade nicht als Fanzine-Macher aktiv bist?

JH: Ich arbeite in einer kleinen stark international ausgerichteten Firma für Süßwarenentwicklung und -produktionsberatung als Fremdsprachensekretär im kaufmännischen Bereich. Hier fallen viele Übersetzungen sowie schriftliche und Telefonkorrespondenz an, aber z.B. auch Maschinenimporte und -exporte.
In meiner Freizeit spiele ich Schach und Abwandlungen davon, fahre gern Rad (daher gibt es auch ein FL-Heft über das Radfahren) und reise auch gern, zuletzt in Luxemburg und Südbelgien. Ich lese aber auch gern und bin nicht zuletzt ein großer Radiofan.

AD: Du bist ja nun auch schon sehr lange dabei. Meinst Du, dass sich die Fanzine-Landschaft in all diesen Jahren substantiell verändert hat? Haben sich die Themen verändert, das Selbstverständnis der Aktiven, die Publikationen selbst? Oder glaubst Du, dass alle Fragen nach dem Einfluss der „Neuen Medien“ oder den anderen Interessen und der anderen Sozialisation jüngerer Generationen eher akademischer Natur sind und im Grunde die Veränderungen eher oberflächlich?

JH: Das scheint eine Frage zu sein, die einige Fanzine- oder Heftherausgeber beschäftigt. Zuletzt durfte ich Hadayatullah Hübsch auf der Mainzer Minipressenmesse ein Interview geben, er hat mir eine ähnliche Frage gestellt.
Ich kann nicht behaupten, dass mir Veränderungen anhand der eher künstlerisch oder spielerisch ausgerichteten Magazine, die ich selbst seit längerem lese, direkt aufgefallen sind. Ich glaube aber schon, dass sich allgemeine gesellschaftliche Veränderungen wie z.B. zunehmende Individualisierung auch in den Fanzines niederschlagen. Und wenn man einmal entsprechende Publikationen aus früheren Jahrzehnten betrachtet, wird man wahrscheinlich schon feststellen, dass der Glaube an die positive Veränderbarkeit der Welt und an gemeinsames Handeln in vielen Texten größer war.
Ich denke, hierbei spielt auch die technische Entwicklung eine Rolle. Die Anzahl von Papierpublikationen in einfacher Copy-Shop-Qualität war früher größer, und Unterschiede in Layout und Herstellungsqualität waren insgesamt kleiner. Wenn man sich anschaut, was heute mit dem Computer alles möglich ist, fragt man sich natürlich, wer heute noch ein einfach aufgemachtes Heftchen in schwarz-weiß zu schätzen weiß. Schade ist, wenn sich jemand bereits von solchen Äußerlichkeiten davon abhalten lässt, bestimmte Zeitschriften auszuprobieren.

AD: In der aktuellen Ausgabe des „Frankfurter Lands“ geht es um das Oberthema „Haare“. Beigelegt ist unter anderem ein kleines verschlossenes Briefchen mit der Aufschrift „Warnung! Dieser Umschlag sollte nur von im Leben gefestigten Erwachsenen geöffnet werden, die sicher sind, sich ihrer Gedanken nicht zu schämen.“ Ich war gleich ganz eingeschüchtert und ließ den Umschlag geschlossen. Verrätst Du mir, was drin ist? ;)

JH: Nun, zuerst will ich Dir sagen, dass ich es schätze, wenn jemand soviel Feingefühl gegenüber sich selbst zeigt und seine Scheu auch offen zugesteht. Ich denke allerdings nicht ernsthaft, dass Du hier schwerwiegenden seelischen Schaden nehmen würdest, wenn Du den Umschlag doch öffnen solltest.
Genaueres will ich natürlich auch in diesem Interview nicht verraten, aber vielleicht hier einmal wenigstens soviel: Der Umschlag enthält ein Rätsel, das einen bewusst gedanklich auf einen falschen Pfad lockt, dessen angegebene Lösung sich dann aber als harmlos herausstellt.
Da ich es sehr interessant fand, zufällig im Internet ein solches Rätsel wohl aus dem frühen 18. Jahrhundert (oder gar dem späten 17. Jahrhundert) zu finden, wollte ich diese Entdeckung einerseits keinem vorenthalten, andererseits aber auch diejenigen vor einer direkten Präsentation verschonen, die Schwierigkeiten damit haben könnten, von ihrem bislang als seriös eingeschätzten Qualitätsblatt „Frankfurter Land“ plötzlich solche Sauereien untergeschoben zu bekommen, bzw. schlimmer noch: mittels solcher alter Zöpfe ihrer eigenen unanständigen Gedanken überführt zu werden.
Und natürlich kann sich so keiner bei mir beschweren – immer kann ich sagen: ja, hättest Du ihn eben zugelassen, diesen Umschlag …

AD: Danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast! Möchtest du vielleicht noch etwas loswerden?

JH: Ja, natürlich: in erster Linie meine Hefte möchte ich loswerden. Von der aktuellen Ausgabe – eben der mit dem gefährlichen Umschlag – habe ich gestern extra nochmals ein paar nachproduziert, nachdem ich in Mainz auch einige verschenkt bzw. eingetauscht hatte und mir FL 36 „Haare“ ausgegangen war.
An Dich, Andreas, herzlichen Dank für die Gelegenheit zu diesem Interview.