Fragen an Simeon und Tobias (04/2015)
Alle Rechte an diesem Interview liegen bei Andreas Dölling [AD] sowie Simeon Disch und Tobias Weinacker vom „Daily Trash“ [DT].
Vorbemerkung
Nachdem uns die letzte Fragestunde nach Süden über die Alpen geführt hat, bleiben wir gleich im Süden, allerdings ein bisschen weiter oben auf der Landkarte, mitten im Schwarzwald. Von dort nämlich kommt das vielversprechende Fanzine „Daily Trash“, das seit November letzten Jahres erscheint.
Das Interview
AD: Ich habe mich sehr gefreut, einmal wieder ein ganz neu gegründetes Papier-Fanzine in die Hände zu bekommen, umso mehr, als es auch noch von jungen Leuten herausgebracht wird. – Wie ist es dazu gekommen, dass ihr als „Digital Natives“ ein Print-Zine gegründet habt und nicht ein Web-Zine oder ein Blog?
DT: Im Prinzip aus der Langeweile der Provinz und weil wir einfach große Print-Fans sind und auf keinen Fall wollen, dass Print ausstirbt! Außerdem haben wir viel zu viel Bier getrunken, als die Idee entstand, und danach gab eben kein Zurück mehr. Simeon kommt ja aus der Punk/Hardcore-Szene, in der so etwas einfach üblich ist, und so war es einfach nur eine Frage der Zeit, bis er selbst so etwas machen wollte. Tobias hat durch seinen beruflichen Werdegang in der Medien-Branche alle Voraussetzungen für die Gestaltung und das Setzen so eines Heftes mitgebracht, also die perfekte Ergänzung.
AD: Wie würdet ihr das „Daily Trash“ in einem Satz beschreiben?
DT: Liebevoll-chaotischer Müll für jedermann.
AD: Mir gefällt sehr gut, dass bei eurem Magazin keine einzelne Person als Chef und Macher in Erscheinung tritt – das Magazin wirkt als Produkt eines Kollektivs. Täuscht das? Wieviele Leute gehören denn zum festen Mitarbeiterkreis?
DT: Pro Ausgabe arbeiten im Durchschnitt 5-6 Leute mit. Die jedoch von Ausgabe zu Ausgabe variieren. Der Grundkern bleibt bei Simeon und Tobias. Doch der Kollektivgedanke steht an erster Stelle. Sonst wäre ein Fanzines wie dieses überhaupt nicht möglich. Deshalb sind wir jedesmal auf der Suche nach neuen Autoren/Fotografen/Zeichnern etc., damit sich der Content auch jedes mal neu erfindet bzw. wechselt.
AD: Wie war das Gefühl nach der ersten Ausgabe? War es anstrengender als gedacht oder leichter? Und habt ihr die Resonanz bekommen, die ihr erwartet habt? Offenbar gab es ja genügend Antrieb, mittlerweile in recht kurzer Zeit noch zwei Ausgaben herauszubringen.
DT: Mörder. Nein wirklich, wir haben uns krass gefreut, gerade nach den ersten Rückmeldungen, die wirklich zu 100% positiv waren und die das Feuer in uns weiter entfacht haben. Insgesamt war die Arbeit sehr angenehm und entspannt. Dadurch, dass alle Autoren bzw. Mitwirkenden nur privat, also nebenher an diesem Heft mitarbeiten, kam es eben auch mal zu Verzögerungen des Abgabetermins, was aber nicht sonderlich dramatisch war. Wie gesagt, durch die positiven Resonanzen war schnell klar, dass wir auf jeden Fall eine Issue 2 rausbringen würden, da die Leute wirklich drauf gedrängt haben, da es in unsere Region so gut wie keine anderen Fanzines gibt.
AD: Wie werdet ihr die Hefte los? Läuft das eher übers Netz, etwa Facebook, oder ganz nach alter Schule durch Verkaufen auf Konzerten, in Kneipen und auf Parties?
DT: Sehr gute Frage (lachen). Um den Vertrieb haben wir uns nämlich nicht gekümmert, also zunächst nicht. Doch durch die vielen Bands und Künstler, die Simeon hier in der Gegend vertritt bzw. bei denen er seine Finger mit im Spiel hat, kamen wir schnell auf den Trichter, die Hefte auf Konzerten zu verkaufen bzw. über die Bandseiten auf Facebook zu pushen. Auch von Anfang an haben eine Website erstellt, die uns präsentiert und auch eben die Möglichkeit gibt, über Mail zu bestellen. Durch viele Freunde und Bekannte ergaben sich auch relativ schnell Möglichkeiten, über ganz Deutschland unsere Hefte zu verschicken, was wir so nie erwartet hätten.
AD: Bisher gab es in jeder Ausgabe jeweils einen Artikel mit „Do it yourself“-Anregungen: ein Liegestuhl aus ausgedienten Skateboards in #1; ein Mini-Verstärker, der in eine Tictac-Dose passt, in #2; und schließlich in #3 sehr coole Beispiele für ausgefallene Eigenbau-USB-Sticks. – Habt ihr mal darüber nachgedacht, so ein Zeug zu verkaufen? Für den Steampunk-USB-Stick zum Beispiel würde ich durchaus Geld ausgeben.
DT: Nein – deswegen auch DIY, haha. Nein wirklich, wir hätten gar nicht die Zeit, um ehrlich zu sein. Wir genießen selbst DIY-Tutorials in anderen Heften und dachten einfach, dass dies ein wirklich schöner Zusatz zum normalen Content ist. In der Weihnachtsausgabe gab es eine Postkarte mit jedem Heft, so etwas wird es mal wieder geben in Form eines Posters o. ä.
AD: Wie sieht es mit Gastbeiträgen aus? In Ausgabe 3 sind ja einige Artikel von neuen Autoren zu finden. Wie schwer ist es, Leute zum Schreiben und Zeichnen zu bewegen? Und habt ihr Kriterien, denen Beiträge genügen müssen, damit ihr sie ins Heft nehmt?
DT: Die Bezeichnung „Gastbeitrag“ ist hier so nicht ganz richtig. Wir sind ein Kollektiv. Und jeder Autor darf sich auch gerne wieder reaktivieren, je nach Zeit und Laune.
Wir sind aber immer auf der Suche nach Neuem, sodass niemals die Gefahr besteht, dass eine Ausgabe am Mangel an Artikeln scheitert. Momentan sieht es eher so aus, dass wir schon für die kommenden zwei Ausgaben Material gesammelt haben. Da die Leute uns genau das schicken, was sie gerne tun, müssen wir niemanden so richtig „zwingen“. Deshalb kann es auch gut sein, dass die eine Ausgabe eher etwas bildlastiger ist, die andere vielleicht etwas textlastiger – je nach dem, was wir bekommen und dann reinnehmen.
Die Grundidee, die sich natürlich auch im Namen widerspiegelt, ist wirklich unser Credo. Das bedeutet: Der tägliche Müll, der uns beschäftigt, soll behandelt werden. Schreibstil und Grammatik sind Nebensache – wir wollen einfach lustigen, interessanten und spannenden Trash-Content, den man manchmal nicht zu ernst nehmen sollte. Wir distanzieren uns natürlich ganz klar von rechtsradikalem Gedankengut sowie einfach fraglichen Sachen, auch im Bezug zum momentanen Zeitgeschehen, sei es nun Politik oder Wirtschaft – das sind die einzigen Zügel, die wir in die Hand nehmen falls nötig. Das soll nicht heißen, dass wir unpolitisch sind, jedoch muss man da einfach filtern. Zum Glück kam es noch nicht dazu, da alle Autoren die für uns schreiben wollen, zu 100% auf unserer Wellenlänge/Promillegrenze sind.
AD: Habt ihr Kontakt zu anderen Zines?
DT: Ja. Zum Panikknacker und zum Solitude. Und natürlich zum Plaste-Blog. Das sind einfach Fanzines von Freunden/Bekannten.
AD: Vielleicht ist es ja Quatsch, aber ich habe manchmal den Eindruck, dass die ungewöhnlichsten und coolsten Fanzines sehr oft eben nicht aus Berlin oder Hamburg oder München kommen, sondern aus der Provinz. Mir fallen gerade spontan „Der Kosmische Penis“ aus Schweinfurt, „Das Dosierte Leben“ aus Mannheim, das frühere „Betonbruch“ aus (ursprünglich) Bad Wimpfen und das ehemalige „Blut im Stuhl“ aus dem Sauerland ein. Was meint ihr dazu? Das „Daily Trash“ kommt ja aus Villingen- Schwenningen – das ist so sehr Provinz, dass man zwei Städte zusammenfassen musste, damit sich überhaupt eine Postleitzahl lohnt. :-D Was meint ihr also zu der Provinz-These?
DT: Hey, hey, hey. Wir haben 4 Postleitzahlen, okay? Aber es ist irgendwo schon richtig. Doch dieser Grundgedanke hat uns auch dazu bewegt. Denn es geht einfach nicht so viel auf dem „Land“. Das heißt, wenn niemand was macht, dann geht auch nichts. Die Leute, die sich verstehen bzw. dieselben Interessen pflegen, kennen sich sowieso in kleineren Städten, und eine Mobilisierung dieser scheint uns viel, viel einfacher als in größeren Städten. Die Leute hier sind einfach nicht so gesättigt und haben auch wirklich richtig Bock auf so etwas. Doch die Konkurrenz müssen wir sicher nicht scheuen. Wir machen unser Ding!
AD: Was war für euch bisher die schönste Reaktion aufs „Daily Trash“ und was die mieseste?
DT: „Ich habe das nicht geblickt!“. Haben wir mal auf ner Party zu hören bekommen. Das war irgendwie schön. Denn diese Person hat sich wirklich mehr gefragt, als wir wollten, und gedacht, es stehe ein größerer Sinn dahinter. Also die Leute werden angeregt, darüber zu denken, und lesen tatsächlich, was wir so schreiben. Das freut einfach.
Mies natürlich, wenn sich Leute einfach nicht darauf einlassen. So nach dem Motto „Verpiss dich!!“. Damit haben wir natürlich auch zu kämpfen, weil wir eine große Anzahl sogenannter „Dorfaffen“ in unserer Gegend haben, die sich mit sowas einfach nicht identifizieren können. Aber so ist es eben. Großen Kopf machen wir uns deshalb nicht.
AD: Wenn ich es richtig mitbekommen habe, seid ihr alle Skater. In den ersten beiden Heften drehten sich denn auch einige Beiträge ums Skaten. In Ausgabe 3 nicht mehr. Wie kommt’s? Ist zum Skaten schon alles gesagt oder war es gar nicht eure Absicht, das zu einem Schwerpunktthema im „Daily Trash“ zu machen?
DT: Nein, gar nicht, wir wollten einfach nicht, dass zu viele Artikel in jeder Ausgabe dieselben Themen behandeln. Auf jeden Fall wird wieder was zum Thema Skaten kommen, sobald sich Autoren wieder damit befassen. Das Thema Skaten spielt dennoch jeden Tag eine große Rolle. Auch wenn Simeons Kugellager grad kaputt ist. Doch nicht jeder will jedesmal nur Skate-Zeugs lesen, dann könnte er sich auch am Bahnhofskiosk ein bekanntes Skate-Magazin kaufen.
AD: Ihr habt, wie du, Simeon, mir schriebst, viel Zuspruch (und, wie Heft 3 zeigt, auch Beiträge) ausgerechnet aus den älteren Generationen bekommen, von vergleichsweise richtig alten Säcken. ;-) Wie ist das für euch, war das nicht überraschend und seltsam? Könnte das den Charakter des Heftes beeinflussen? Und wie ist im Vergleich zu den älteren Lesern die Resonanz bei Leuten um die 20?
DT: Wir sagen mal so: ohne die ältere Generation könnten wir uns nicht halten. Sponsoren zu suchen, die unter 20 Jahre sind, ist extrem schwer. Die meisten Selbständigen sind einfach älter. Und dadurch gewillter, Geld in die Hand zu nehmen, um uns zu supporten. Ausdrücklich sagen wir noch dazu, dass alle Anzeigeneinnahmen ausschließlich in den Druck fließen!
Die ältere Generation ist oft mit dem Thema Punk etc. aufgewachsen und kann sich mit so einem Heft sehr gut identifizieren und findet das einfach nice, dass wir so etwas auf die Beine stellen. Darüber sind wir ultraglücklich. Viele Jüngere sind einfach nicht gewillt, auch nur 2€ auszugeben, selbst wenn sie gerne lesen würden – das ist tatsächlich so. Wir haben das Gefühl, dass sie überfordert sind, da diese „Umsonst-Kultur“ allgegenwärtig ist.
AD: Aus welchem Grund sollte das „Daily Trash“ einen Nobelpreis bekommen? Und welchen?
DT: Wir wollen gar keinen, weil sonst müssten wir uns ja rechtfertigen! Über eine Goldene Himbeere würden wir uns lieber freuen. Am besten in der Kategorie „Bester Nebendarsteller“! Man darf wohl noch träumen!
AD: Danke, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview genommen habt! – Möchtet ihr zum Schluss noch etwas loswerden?
DT: Vielen Dank an dich!! Elfentrank von Capri Sonne ist wirklich der shit (nein, wir sind nicht gesponsert). Wir hoffen, noch lange weitermachen zu können. In diesem Sinne.
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